Stuttgarts großer Bedarf an Wohnraum verlangt nach Quartieren hoher Dichte. Doch schon heute leiden die Stuttgarter unter schlechter Luft und Hitzestress. Der Klimawandel und eine weitere Verdichtung der Stadtfläche werden diese Situation zusätzlich verschärfen. Es wird nicht ausreichen, die negativen Wirkungen zusätzlicher Baumassen durch eine Erweiterung der Parkfläche abzumildern. Vielmehr gilt es, die städtische Umwelt insgesamt zu verbessern. Dies kann nur gelingen, wenn die Stadt selbst als eine Form von Natur begriffen wird.
StadtNatur
Der Schlüssel zur Stadt als Natur liegt in grünen Gebäudetypologien, die ökologisch leistungsfähige und erlebbare Grünstrukturen mit einer intensiven baulichen Nutzung vereinen. Sie sind Ausdrucksform für die Sehnsucht des Menschen nach Natur, tragen nachweislich dazu bei, den thermischen Komfort und die Luftqualität zu verbessern, die Gesundheit der Bewohner zu fördern und die Biodiversität zu steigern. Damit wird der Gegensatz zwischen unbebauten, naturnahen Flächen auf der einen Seite und bebauten, vom Menschen genutzten, dicht bebauten Flächen auf der anderen Seite überwunden.
StadtLabor
Im Rosensteinquartier hat sich mit den Wagenhallen durch die Impulse der Zwischennutzung ein erster Vorbote des zukünftigen Quartiers etabliert. Stadtbiotop Rosenstein schreibt diese Geschichte in der Test-City-Wagenhallen fort: In Satelliten werden frühzeitig neue Nutzungen ausgetestet, die den Orten eine Stimme geben. Indem sich diese temporären Interventionen und Aktionen verstetigen oder transformieren, werden sie für die perspektivische Entwicklung der Stadt gezielt genutzt.
Städtebauliche Struktur und Programm
Die neuen Stadtquartiere reihen sich entlang des Gleisbogens auf, der in weiten Teilen erhalten wird. und als Rückgrat seinen platzartigen Aufweitungen, Terrassen und Aussichtspunkten die Quartiere des Nordens über alle wichtigen öffentlichen Nutzungen mit der Innenstadt verbindet.
Im Bereich des Gleisvorfeldes hat er den Charakter eines städtischen Boulevards. Dichte, offene und gemischte Blöcke schaffen eine starke Beziehung zum Park. Das Kongresszentrum liegt beim Bahnhof, nordöstlich des Budapester Platzes entsteht ein Schulcampus mit ergänzender Wohnnutzung. Das Lindenmuseum bezieht Teile des südlichen Überwerfungsbauwerks ein und vermittelt zwischen den unterschiedlichen Geländeebenen.
Auf den Flächen des Abstellbahnhofs verzahnen sich Stadt- und Parkerweiterung. Grüne Finger lassen Blickachsen u.a. zum Schloss Rosenstein, zum Kappelberg, zur Grabkapelle Rotenberg und der Villa Berg entstehen. „Stadtbalkone“ formulieren den Übergang zum Park. In unmittelbarer Nähe zum S-Bahnhof liegen der zentrale Platz und die neue Philharmonie. Offene Blöcke ermöglichen einen hohen Grad an Dichte und programmatischer Mischung. Die einzelnen Gebäude bleiben ablesbar und können individuell konzipiert werden, was eine Vielzahl unterschiedlicher Bauherrenmodelle ermöglicht, eine soziale Mischung und die Schaffung bezahlbaren Wohnraums sicherstellt. In einer Sockelzone befinden sich meist öffentliche und gewerbliche Nutzungen. Die durch Rücksprünge und Einschnitte sukzessiv weniger dicht werdenden Stockwerke darüber beherbergen Wohn- und auch Büronutzungen. Dadurch entsteht eine Gebäudetopographie, die als hoch verdichteter vertikaler Freiraum zum Habitat von Menschen, Pflanzen und Tieren wird.
An den Wagenhallen sind großzügig bemessene Baufelder vorgesehen, die sich Großteils von innen heraus konstituieren und als Sonderfläche für kulturelle Entwicklung mit experimentellen Wohnbauprojekten zu einem Schauplatz der IBA 2017 werden. Im äußeren Nordbahnhof schließt sich ein Schulcampus mit Wohn- und Freizeitnutzungen an.
Blau-Grüne-Infrastruktur: Topographie, Freiraum und Stadtklima
Durch die Parkerweiterung und die grünen Finger ist eine sehr gute Durchlüftung der neuen Quartiere gegeben. Die Topographie vermittelt zwischen den verbleibenden Elementen des Gleisbogens und der ursprünglichen Geländemodulation. Dadurch wird eine Regenwasserbewirtschaftung entlang der grünen Finger möglich. Für alle neuen Baufelder wird mittels einer Grünvolumenzahl eine hohe „grüne Dichte“ festgeschrieben. Diese konsequente Nutzung grüner Architektur-Typologien ermöglicht eine neue Wahrnehmung des öffentlichen Grünraums, da die Gebäude sich visuell wie ökologisch in den Park einfügen.
Mobilitätskonzept
Der Gleisbogen wird zur Haupterschließung und zum Ausdruck einer neuen Mobilitätskultur. Er ist an die Bedürfnisse von Lastenrädern und E-bikes angepasst, bietet aber auch Radfahrern und Fußgängern Raum. Er ist die primäre Erschließung der unmittelbar angrenzenden Baufelder und knüpft an das bestehende Wegenetz an, womit bspw. eine hervorragende Anbindung des Stuttgarter Ostens gewährleistet wird. Eine sehr gute ÖPNV-Anbindung und eine konsequente Förderung multimodaler Wegeketten u. a. durch zentral liegende Mobilitätspunkte macht die Nutzung des PKW weitestgehend überflüssig.
Blicke von Süden auf das neue Rosensteinquartier
Blick über den Gleisbogen in Richtung Rosensteinschloss